„Wir sagen das alles heute nicht aus Recht-
haberei, sondern einfach deshalb, weil sich in
der Demokratie jede Sünde wider den Geist der
Demokratie rächt und rächen muss.“

Bruno Kreisky

nov 1918
Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs zerfällt die Habsburgermonarchie und am 12.November wird die Republik Deutschösterreich ausgerufen.
feb 1919
Bei der Wahl zur konstituierenden Nationalversammlung gilt erstmals das freie und gleiche Wahlrecht für Männer und Frauen.
okt 1920
Die erste Nationalratswahl in der Geschichte der Republik findet am 17. Oktober statt. Am 10. November tritt die Bundesverfassung in Kraft.
nov 1922
Österreich erhält vom Völkerbund eine Anleihe in Millionenhöhe. Aufgrund strenger Sparauflagen werden soziale Leistungen gekürzt, dagegen wird heftig protestiert.
mai 1923
Die Hyperinflation verschärft die sozialen Probleme. Als Gegenpol zu Heimwehr und Bundesheer wird der Republikanische Schutzbund gegründet.
nov 1926
Die Sozialdemokratie beschließt im Linzer Programm die Demokratie Notfalls mit Gewalt zu verteidigen.
jän 1927
Schüsse auf die Teilnehmer einer Schutzbundversammlung in Schattendorf töten zwei Menschen und verletzen fünf weitere schwer.
jul 1927
Die Attentäter von Schattendorf werden freigesprochen. Bei den Protesten brennt der Justizpalast in Wien und die Polizei schießt auf Demonstranten.
okt 1929
Der schwarze Freitag an der New Yorker Börse löst eine weltweite Wirtschaftskrise aus.
dez 1929
Mit der Novellierung des Bundesverfassungsgesetzes werden die Kompetenzen des Parlaments geschwächt, im Gegenzug der Bundespräsident gestärkt.
mai 1930
Mit dem Korneuburger Eid schwören sich die Heimwehren auf die Bekämpfung von Parteienstaat und Demokratie ein.
mai 1931
Der Zusammenbruch der Creditanstalt löst eine Bankenkrise aus. Der Staat rettet die Bank wegen ihrer großen Bedeutung für die österreichische Industrie.
mär 1933
Bundeskanzler Engelbert Dollfuß nutzt eine Geschäftsordnungsdebatte im Nationalrat zur Ausschaltung des Parlaments. Weitere Sitzungen werden mit Polizeigewalt verhindert.
mai 1933
Bundeskanzler Dollfuß gründet die Vaterländische Front mit dem Anspruch das politische System der parlamentarischen Demokratie zu ersetzen.

Der Staat, den die Eliten nicht wollten

Österreich ist nach dem 1. Weltkrieg aufgespalten zwischen Feinden und Freunden der Demokratie. Vor allem aus Angst vor einem Aufstand der ArbeiterInnen stimmen auch konservative Kräfte
für eine demokratische Republik.

Die SozialdemokratInnen bilden bis 1920 gemeinsam mit den Christlichsozialen in der provisorischen Nationalversammlung die Regierung und können trotz der schwierigen Rahmenbedingungen viele Meilensteine für die arbeitenden Menschen bewirken.
Aber der erhoffte Anschluss an das große demokratische Deutschland wird Österreich mit dem Friedensvertrag von St. Germain untersagt. Vor allem die miserable Wirtschaftslage verschärft soziale Konflikte in der jungen Republik.

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Der Staat, den die Eliten nicht wollten

Die Losung „Der Staat, den keiner will“ findet im Zusammenhang mit den Problemen, denen sich die junge Republik 1918 stellen muss, immer wieder Eingang in die Diskussion über die Zwischenkriegszeit.

Betrachtet man aber Bilder vom Gründungstag der Ersten Republik ergibt sich ein gänzlich anderer Eindruck. Tausende von Menschen feierten in Wien die neu ausgerufene Republik. Grund dafür war vor allem eines: Mit dem Ende der Monarchie verloren Aristokraten und (Groß)Bürgertum die wesentliche Stütze ihrer Privilegien gegenüber den weitgehend rechtlosen ArbeiterInnen und der kleinbäuerlichen Bevölkerung. Das kurzfristig entstehende Machtvakuum konnte die Sozialdemokratie für sich nutzen und gegen die ehemals Privilegierten politische und soziale Reformen im großen Stil durchsetzen. Bereits 1918 wurde das allgemeine, gleiche und freie Wahlrecht installiert, das die Stimmengewichtung zugunsten der Besitzenden abschaffte und Frauen in den Kreis der Wahlberechtigten einbezog. In diese Zeit fallen aber auch viele sozialpolitische Errungenschaften, wie der 8-Stunden-Tag, die Arbeitslosenversicherung, der Urlaubsanspruch für ArbeiterInnen, das Betriebsrätegesetz, eine Schulreform und die Gründung der Arbeiterkammer.

In der kurzen Zeit des Provisoriums kämpfte vor allem die Sozialdemokratie als stimmenstärkste Partei in der Koalition mit den Christlichsozialen für die Demokratie, die sie als wesentliche Voraussetzung dafür sah, auf friedlichem Wege eine freie und gleichberechtigte Gesellschaft zu erreichen. Im Jahr 1920 wurde die Verfassung der Ersten Republik Österreich beschlossen, die maßgeblich von Hans Kelsen geprägt wurde.
Zwar gab es am Anfang der Ersten Republik tatsächlich auch den viel zitierten Wunsch nach einem Anschluss an Deutschland, die politischen Motive konnten aber unterschiedlicher nicht sein: Während sich die Sozialdemokratie dadurch eine Stärkung der ArbeiterInnenbewegung erhoffte, ging es den Rechten vielmehr um nationalistische und auch rassistische Motive. Doch mit dem Friedensvertrag von Versailles beendeten die Siegermächte ohnehin jegliche Hoffnung auf einen Anschluss an ein demokratisches Deutschland.

Die revolutionäre Welle, die Österreich in diesen Jahren erlebte, verebbte im ländlichen Bereich schnell und die Sozialdemokratie verlor damit den Rückhalt der LandarbeiterInnen. In diesen ersten Jahren der Republik entschied die Sozialdemokratie, sich strategisch auf ihr WählerInnenpotential in den Städten zu konzentrieren. Dabei wurde verabsäumt, die LandarbeiterInnen zu organisieren und deren Forderung nach einer gerechteren Verteilung von Grund und Boden den nötigen Stellenwert zu geben. Damit fehlten der Sozialdemokratie viele Stimmen bei der Wahl 1920. Auch die kleinen und mittleren Bauern, die anfangs mit der Sozialdemokratie sympathisiert hatten, wandten sich sukzessive ab. Diese hatten sich von der Republik vor allem erhofft, von kriegsbedingten Beschlagnahmungen ihrer Lebensmittel verschont zu bleiben. Dennoch kam es in den wirtschaftlich schlimmen Jahren nach 1918 immer wieder zu solchen Aktionen, um die BewohnerInnen in den Städten versorgen zu können. Beteiligt waren nicht nur Arbeiter- und Soldatenräte, sondern auch die staatliche Obrigkeit.

Politischer Wandel und wirtschaftlicher Niedergang in den 1920er Jahren

Die Sozialdemokratie verfehlte bei den Nationalratswahlen von 1920 die absolute Mehrheit und ging in Opposition. Die konservative Regierung stand vor großen ökonomischen und sozialen Herausforderungen: Zum einen belasteten die Reparationszahlungen das Budget, zum anderen war ganz Europa auf wirtschaftlicher Talfahrt. Es kam zu einer verheerenden Inflation, die 1922 ihren Höhepunkt erreichte.

Um „die Inflation einzudämmen sowie den Staatshaushalt und damit die österreichische Volkswirtschaft zu sanieren“, wie der konservative Bundeskanzler Seipel meinte, wurde ein folgenschweres Sanierungskonzept durchgesetzt: Die österreichische Wirtschafts- und Finanzpolitik wurde unter Kuratel des Völkerbunds gestellt und die im Zuge der „Genfer Sanierung“ aufgenommenen Auslandskredite an strenge Auflagen geknüpft. Damit wurde zwar innerhalb eines Jahres der Staatshaushalt ausgeglichen, doch die sozialen Folgen der konservativen Wirtschaftspolitik waren - ähnlich der gegenwärtigen Politik gegenüber den EU Krisenstaaten - verheerend. Durch die Entlassung zehntausender Beamter und die Einhebung neuer Steuern, die vor allem die unteren Einkommen schwer trafen, erfolgte eine rasante Verarmung breiter Bevölkerungsschichten.

Gleichzeitig hatte die Regierung begonnen, den "sozialen Schutt wegzuräumen" (Seipel). Gemeint waren damit die sozialpolitischen Maßnahmen, für die die Sozialdemokratie in den ersten beiden Jahren der Republik gekämpft hatte. Mit diesen Maßnahmen zum „Schutze der Wirtschaft“ stabilisierte sich zwar die Währung, den Preis dafür trugen aber vor allem die ArbeiterInnen. Die soziale Not in Österreich erreichte immer weitere traurige Höhepunkte.

Als 1929 die Weltwirtschaft mit dem „Schwarzen Freitag“ in eine Krise stürzte und in Österreich die systemrelevante creditanstalt gerettet werden musste, führte die wachsende soziale Not zu einer weiteren Radikalisierung in der Bevölkerung. Im Mai 1931 erreichte die Krise auch Österreich in vollem Ausmaß. Das Bruttoinlandsprodukt verringerte sich von 1929 bis 1933 um ein Viertel und das Lohnniveau sank um 30 Prozent. Am Tiefpunkt der Krise waren mehr als 550.000 Menschen arbeitslos. Dauerarbeitslosigkeit gekoppelt mit wenigen oder keinen staatlichen Zuwendungen wurde zu einer Massenerscheinung und schwächte die Position der ArbeiterInnen und damit auch die Schlagkraft der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) und der Freien Gewerkschaften.

Zwei Lager rüsten auf

Nach dem 1.Weltkrieg sind die heimkehrenden Soldaten der k. u. k. Armee weiterhin bewaffnet. Durch das Machtvakuum nach dem Krieg gründen sich Wehrverbände, um Eigentum vor den vielen Hungernden zu schützen.

Die daraus entstehenden Heimwehrverbände bekennen sich 1930 mit dem Korneuburger Eid offen als Feinde der parlamentarischen Demokratie und streben einen autoritären, faschistischen Ständestaat an – Hilfe und Finanzierung bietet auch das faschistische Italien unter Benito Mussolini. Die Armee der Ersten Republik – ursprünglich von der Sozialdemokratie zum Schutz der demokratischen Republik aufgestellt – wird ab 1920 von den Christlichsozialen sukzessive „umgefärbt“. Als Reaktion darauf wird 1923 der Republikanische Schutzbund gegründet, der sich im Sinne des später beschlossenen Linzer Programms als Verteidiger der Republik versteht.

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Zwei Lager rüsten auf

Die Existenz der Wehrverbände ist stark als Auswirkung der politischen Kräftekonstellationen zu verstehen. Die Wehrverbände hatten ihren Ursprung in der unmittelbaren Nachkriegssituation, die durch ein Machtvakuum gekennzeichnet war. Die alte k.u.k. Armee hatte sich in ihre Bestandteile aufgelöst und mit der Kapitulation strömten Truppenteile zurück in ihre Heimatgebiete, ohne dass eine offizielle Macht die Rückgabe der Waffen organisierte.

In den ersten Monaten der Republik kam es zur Beschlagnahmung von Vieh und Nahrungsmitteln durch bewaffnete Arbeiter- und Soldatenräte, die wegen der noch fehlenden staatlichen Verwaltung die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln organisierten. Um in dieser Situation ihren Besitz zu schützen, gründeten in ganz Österreich Industrielle, Adelige und vor allem auch Bauern und Gewerbetreibende in ländlichen Regionen sogenannte Feld- und Flurwachen. Auch in den Städten bildeten sich vergleichbare bürgerliche Milizen, gestützt vor allem auf Weltkriegsveteranen und Studierende.

Die Rolle des Bundesheers
Der sozialdemokratische Verteidigungsminister Julius Deutsch rief die „Volkswehr“ ins Leben, die sich aus Resten der alten Armee zusammensetzte und die Republik uneingeschränkt bejahte, um die prekäre politische Situation zu entschärfen und mögliche Putschversuche abwehren zu können. Das Ziel war eine demokratische Armee ohne den „Kadavergehorsam“ der alten k.u.k. Armee. Viele derjenigen, die in dieser republiktreuen Armee aufgrund ihrer Gesinnung keinen Platz mehr fanden, tauchten Anfang der 1920er Jahre in den vom reaktionären Ausland unterstützen Wehrverbänden wieder auf, als diese begannen sich in Feld- und Flurwachen zu organisieren.
Als 1920 die Sozialdemokratie in Opposition ging, übernahmen die Christlichsozialen auch das Heeresministerium und vollzogen unter Minister Carl Vaugoin unter dem Schlachtruf der „Entpolitisierung des Heeres“ in Wahrheit eine Umpolitisierung. Wie in der Exekutive wurde der Apparat systematisch von Sozialdemokraten gesäubert, die demokratischen Rechte der Heeresangehörigen wurden ausgehöhlt und die parlamentarischen Kontrollrechte beseitigt. Auf diese Weise wurde das Heer in ein Instrument gegen Teile der eigenen Bevölkerung umgewandelt. Aus einer Einrichtung, die die Arbeiter mitaufgebaut hatten, war eine ihnen feindlich gesinnte Institution geworden.

Der republikanische Schutzbund
Nachdem die Sozialdemokratie ihren Einfluss in der Armee verlor, musste sie sich auch in der Schutzfrage neu orientieren. Als der Republikanische Schutzbund 1923 aus früheren Fabriks- und Arbeiterwehren und anderen Ordnerorganisationen gegründet wurde, waren im Statut der „Schutz“ und die „Sicherung“ der Republik festgehalten. Der Republikanische Schutzbund besaß also einen überwiegend defensiven Charakter.
Der Schutzbund konkurrierte somit auf derselben taktischen Ebene mit denselben militärischen Mitteln mit zwei gegnerischen Armeen: dem Bundesheer in der Hand des christlichsozialen Heeresministers und den die Christlichsozialen von außen treibenden, mit ihr in enger personeller Verflechtung stehenden Heimwehren.

Der Aufstieg der Heimwehren
Die Heimwehren wurden aber auch von außerösterreichischen Kräften unterstützt. Nach dem Justizpalastbrand und den Demonstrationen im Juli 1927 wurden die reaktionären Wehrverbände unter dem Schutz der Regierung von mächtigen Kapitalistengruppen des In- und Auslandes mit Geld und Waffen versorgt. Die Waffen kamen vor allem aus dem faschistischen Italien und aus Ungarn. Die Heimwehren, die zum Sammelbecken aller militanten faschistischen Kräfte wurden, waren ein bunt zusammengewürfelter Haufen. 1930 kam es zu einer denkwürdigen Kundgebung der Heimwehren, bei der die Teilnehmer den „Korneuburger Eid“ leisteten. Diesen Eid schworen nicht nur Heimwehrangehörige, sondern auch ebenfalls anwesende christlichsoziale Mandatare. Der Parteienstaat, der westliche Parlamentarismus, sowie der marxistische Klassenkampf wurden darin zum Feindbild der Heimwehren erklärt und die Errichtung eines autoritären Ständestaates als politisches Ziel proklamiert.

Alle konservativen Koalitionsregierungen seit 1920 arbeiteten gegen den demokratischen Parlamentarismus und die Sozialdemokratie. Der Einfluss der Heimwehren zeigte sich auch in der Regierungsarbeit als 1932 der Wiener Heimwehrführer Emil Fey Staatssekretär für das Sicherheitswesen im Kabinett Dollfuß wurde.

Eskalation bis zum BürgerInnenkrieg

Nach der Ausschaltung des Parlaments 1933 geht die Auseinandersetzung des Regime Dollfuß mit der Sozialdemokratie weiter und nimmt an Intensität zu.

Unter dem Vorwand, Waffen zu suchen, werden - zumeist in provokanter und schikanöser Weise - immer wieder Arbeiterheime und auch private Wohnungen durchsucht, Papiere beschlagnahmt und FunktionärInnen vorübergehend in Haft genommen. Auf diese Weise soll vor allem der Schutzbund demoralisiert werden, der vom sozialdemokratischen Parteivorstand, trotz gegenteiliger Ankündigungen und Drohungen im Vorfeld, am Ende immer wieder den Befehl bekommt, still zu halten. Anfang Februar 1934 wird praktisch die gesamte Führung des Schutzbundes verhaftet. Die letzte Provokation kommt am 11.Feburar vom Vizekanzler und Wiener Heimwehrführer Emil Fey: „Wir werden morgen an die Arbeit gehen und wir werden ganze Arbeit leisten.“ Daraufhin fordert der Linzer Schutzbund die Parteiführung ultimativ auf, Gegenwehr zu leisten und kündigt an, dem Vordringen der Regierung bewaffneten Widerstand entgegen zu setzen.

Die Sozialdemokratie in der Opposition, die Konservativen am Ruder

Mit 1920 treten die Gräben zwischen den politischen Lagern verstärkt in den Vordergrund: Auf der einen Seite die Befürworter, auf der anderen Seite die Gegner der neuen demokratischen Republik.

Als 1920 die Christlichsozialen die Wahlen gewinnen, sagen sie den sozialen Errungenschaften der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) den Kampf an und versuchen die Wirtschaft auf Kosten der ArbeiterInnen mit verheerenden Einsparungen zu sanieren. Gleichzeitig werden die Stimmen für einen autoritären Führerstaat immer lauter und die paramilitärischen Wehrverbände gewinnen vermehrt an Bedeutung.

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Die Sozialdemokraten in der Opposition,
die Konservativen am Ruder

Grob zusammengefasst finden wir in der Zeit von 1920 bis 1933 zwei politische Milieus: Die Sozialdemokratie und das bürgerliche Lager. Während die Sozialdemokratie an der Sicherung der parlamentarischen Demokratie und dem weiteren Ausbau der sozialen Errungenschaften der ersten Koalitionsregierung interessiert war, hatte das bürgerliche Lager – Christlichsoziale und Deutschnationale – ein getrübtes Verhältnis zur demokratischen Regierungsform. Die anfangs christlich-demokratische Linie wich immer mehr einer antidemokratischen, autoritären Ausrichtung.

Machtwechsel
In den ersten beiden Jahren der jungen Republik konnten die SozialdemokratInnen in einer großen Koalition mit den Christlichsozialen weitgehende soziale Reformen durchsetzen. Die Entscheidung nach der Wahl 1920 in Opposition zu gehen, hing aber stark mit der nachlassenden revolutionären Kraft in Europa zusammen. Die durch die Oktoberrevolution in Russland (1917) ausgelöste revolutionäre Welle in Europa zwang die Bürgerlichen zu Kompromissen und Konzessionen – als Russland sich zum Einzelphänomen herauskristallisierte, in Ungarn und Bayern die Gegenrevolution blutige Triumphe feierte, schwächte das die Position der SDAP. Der Widerstand des bürgerlichen Koalitionspartners, der die früher gemachten Konzessionen bedauerte und rückgängig machen wollte, erstarkte. Die oft kritisierte Entscheidung der Sozialdemokratie, in Opposition zu gehen, war stark von der Angst einer möglichen Spaltung der Sozialdemokratie, wie es in Deutschland der Fall war, getrieben.

Die Bürgerlichen versuchten nach der Regierungsübernahme 1920 die wirtschaftlichen Probleme mit einem strengen Sparkurs zu lösen. Davon war vor allem die arbeitende Bevölkerung betroffen. Die stetig sinkenden Löhne sowie der Abbau vieler Sozialleistungen ab 1927, wie die reduzierte Arbeitslosenunterstützung, bremsten die Nachfrage und verstärkten so die Rezession. Diese Entwicklung schwächte auch die ArbeiterInnenbewegung.

Politische Radikalisierung
Die politische Radikalisierung zeigte sich deutlich im Jänner 1927 in Schattendorf. Angehörige der Heimwehr töteten dort bei einer Schutzbund-Versammlung zwei Menschen und verletzen weitere fünf schwer. Bei dem folgenden Strafprozess im Juli 1927 wurden sie jedoch freigesprochen. Nach dem Freispruch gingen in Wien Tausende aufgebrachte Menschen auf die Straße und setzten im Zuge der Demonstrationen den Justizpalast, der als Symbol der Klassenjustiz gesehen wurde, in Brand. Der damalige Polizeipräsident und spätere Bundeskanzler Johann Schober gab daraufhin den Befehl, das Feuer auf die demonstrierenden Menschen zu eröffnen. Die folgenden zweitägigen Straßenschlachten endeten mit 89 Toten und mehreren hundert Verletzten.

Die Position der Sozialdemokratie
Die SDAP hatte zwar mit dem Linzer Programm von 1926 öffentlich ihre Bereitschaft erklärt, die Demokratie notfalls auch mit Gewalt zu verteidigen – sie zögerte aber bis 1934, als die Lage bereits aussichtslos war. Die radikalen Formulierungen im Linzer Programm wurden von den konservativen Kräften aber immer wieder zum Anlass genommen, um in der Bevölkerung grassierende Revolutionsängste weiter zu schüren. Im Linzer Programm wird – trotz vielfachem Vorwurf – nicht von der Diktatur des Proletariats gesprochen. Es heißt vielmehr: Sollte das konservative Lager die Demokratie zerstören wollen, so wäre die Arbeiterbewegung bereit, dies nötigenfalls mit diktatorischen Mitteln zu verhindern.

Als in Linz am 12.Februar 1934 die ersten Schüsse fielen, war die Demokratie durch die Politik der konservativen Regierung eigentlich bereits am Ende. Am 4.März 1933 hatte Engelbert Dollfuß den aufgrund einer Geschäftsordnungsdebatte ausgelösten Rücktritt der drei Nationalratspräsidenten für einen Staatsstreich genutzt. Nach Ausschaltung des Parlaments und des Verfassungsgerichtshofes regierte Dollfuß per Notverordnung ohne das Parlament. Der Versuch der Opposition aus SDAP und Großdeutscher Volkspartei, einige Tage später die Parlamentsarbeit wieder aufzunehmen, wurde mit Polizeigewalt verhindert.

Das Ende der Republik

Das gewalttätige Vorgehen der Polizei im Zuge des Justizpalastbrands und der Demonstrationen am 15. und 16.Juli 1927 ist das sichtbarste Zeichen der Machtverschiebung im Staat.

Von nun an sind die Sozialdemokratie und ihre Gewerkschaften kontinuierlich auf dem Rückzug, während die radikale Rechte einen enormen Aufschwung erlebt. Es setzt ein jahrelanges öffentliches Kräftemessen ein, ein „latenter Bürgerkrieg“. Er ist gekennzeichnet durch regelmäßige Machtdemonstrationen in Form von Aufmärschen, gewalttätigen Zusammenstößen und immer neuen Provokationen der Rechten. Die einsetzende Weltwirtschaftskrise schwächt ab 1929 die ArbeiterInnenbewegung weiter, weil sie zur Verarmung und Demoralisierung ihrer AnhängerInnenschaft beiträgt. Erstmals im Sommer 1932 erachten Justizminister Kurt Schuschnigg und Vertreter der Industrie die Ausschaltung des Parlaments als notwendigen Schritt für eine Politik der „Krisenlösung“. Im März 1933 nutzt dann Engelbert Dollfuss eine Geschäftsordnungsdiskussion im Nationalrat als Vorwand zur Ausschaltung des Parlaments. Ein Jahr lang folgen nun Verbote und öffentliche Demütigungen, die sich gegen die Sozialdemokratie richten. Den Mitstreitern erklärte der Heeresminister im Kabinett Dollfuß, Carl Vaugoin, man wolle mit dieser Salamitaktik die Sozis „Glied für Glied zum Krüppel“ schlagen.

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Das Ende der Republik

In den Jahren 1926/27 befand sich das von den Bürgerlichen regierte Österreich in einer schweren Krise, ausgelöst durch den Zusammenbruch mehrerer Banken. Die konservative Regierung wollte endlich die verhasste Sozialdemokratie, die verhasste Republik und das rote Wien zu Fall bringen.

Zwar versuchte man bei den Wahlen im April 1927 noch demokratisch an dieses Ziel zu gelangen, durch eine von Bundeskanzler Prälat Ignaz Seipel initiierte „Einheitsliste“, eine Zusammenfassung aller antisozialistischen Kräfte des Landes. Aber auf demokratischem Boden waren die SozialdemokratInnen nicht zu schlagen, sie wurden zur stimmen- und mandatsstärksten Partei im Parlament. Das von der Parteiführung der SDAP ausgegebene Ziel von „50 Prozent und einer Stimme“ schien im Bereich des Möglichen. Seipel und seine Verbündeten gingen daher zum offenen Kampf gegen die SDAP und die Demokratie über.

Schattendorf und der Justizpalastbrand
Die Radikalisierung zeigte sich deutlich im Jänner 1927 in Schattendorf. Rechtsradikale töteten dort bei einer Versammlung der SDAP zwei Menschen und verletzten weitere fünf schwer. Beim Prozess im Juli selben Jahres wurden die Täter jedoch freigesprochen. Noch vor dem Schwurgericht kam es zu massiven Protestdemonstrationen und am nächsten Tag legten die Elektrizitätsarbeiter das Stromnetz der Straßenbahnen in Wien still, um so das Signal für eine gewaltige proletarische Demonstration zu geben. Weder die SDAP, noch der Schutzbund oder die Gewerkschaften setzten den Startschuss für die Massenproteste.

Während Schutzbündler versuchten die aufgebrachten Menschen zu beruhigen, brannte schon der Justizpalast als Symbol einer Klassenjustiz, die Verbrechen gegen die ArbeiterInnenschaft seit Jahren nicht angemessen ahndete, während sie linke AktivistInnen regelmäßig mit drakonischen Strafen belegte. Die stürmischen Demonstrationen überraschte die Sozialdemokratie, während die bürgerliche Seite die Gelegenheit gekommen sah, an der Linken ein Exempel zu statuieren. Der Wiener Polizeipräsident und spätere Bundeskanzler Johann Schober ließ die Exekutive mit Infanteriegewehren ausstatten und erteilte, als sich die Menge vor dem Justizpalast bereits wieder zerstreute, den Schießbefehl. In der Folge kam es in ganz Wien zwei Tage lang zu gewaltsamen Konfrontationen mit der Polizei, denen 89 Menschen zum Opfer fielen. Diese Auseinandersetzungen wurden von den Medien außerhalb Wiens als Putschversuch dargestellt, als Folge hatte die Heimwehr vor allem im ländlichen Raum starken Zulauf, was zur weiteren Radikalisierung beitrug.

Als die Sozialdemokratie auf das Polizeimassaker mit einem eintägigen Generalstreik und einem unbefristeten Verkehrsstreik antwortete, war die Stunde der Heimwehren gekommen. Sie schlugen den Verkehrsstreik, den die schwachen sozialdemokratischen Organisationen in den Bundesländern nicht verteidigen konnten, mit vorgehaltener Waffe nieder. Die Sozialdemokratie erlitt damit innerhalb kürzester Zeit zwei schwere Niederlagen, von denen sie sich bis zu ihrem Verbot 1934 nicht mehr erholen konnte. Die bürgerliche Seite begnügte sich bald nicht mehr mit einer teilweisen Entdemokratisierung der Verfassung, sondern forderte immer offensiver eine Diktatur. Ab 1928 beginnt damit die Phase des „latenten BürgerInnenkriegs.“

Als am 4.März 1933 auf Grund eines Verfahrensstreites die Nationalratspräsidenten zurücktraten, nutzte Engelbert Dollfuß dies als Vorwand, das Parlament auszuschalten. Er regierte ab diesem Zeitpunkt mit Hilfe des kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes von 1917. Der Kanzler Dollfuß behauptete, gar keine andere Wahl zu haben, nachdem das Parlament „an sich selbst zugrunde gegangen“ sei. Das war eine vorgeschobene Argumentation. Denn als sozialdemokratische und großdeutsche Abgeordnete am 15. März im Parlament erschienen, um ein neues Präsidium zu wählen und den Nationalrat damit wieder handlungsfähig zu machen, wurde diese Sitzung auf Weisung der Bundesregierung durch einen Polizeieinsatz verhindert.

In den folgenden zwölf Monaten verfolgten Dollfuß und seine Gefolgsleute bewusst das Ziel, die Sozialdemokratie „Glied für Glied zum Krüppel“ zu schlagen. Immer neue Verbote schränkten den Handlungsspielraum der Sozialdemokratie rasch ein, um der Arbeiterbewegung möglichst schnell die Chance zur Gegenwehr zu nehmen: Der Schutzbund wurde behördlich aufgelöst, zugleich wurden die Heimwehren in den Rang einer Notpolizei erhoben und damit staatlich ausgerüstet und besoldet. Aufgelöst wird neben der kommunistischen Partei auch der Freidenkerbund, eine atheistische Organisation, die besonders der katholischen Kirche ein Dorn im Auge gewesen war. Die Arbeiterpresse wird zensuriert, öffentliche Parteiversammlungen verboten, so vor allem die Mai-Kundgebungen und die Republiksfeiern am 12.November.
Die SozialdemokratInnen waren aber nicht die einzigen, die an der Demokratie festhielten. Neben der kommunistischen Partei wehrten sich vereinzelt Personen im bürgerlichen Lager gegen die offensichtliche Errichtung einer Diktatur.

LinzOberösterreichWien

Interaktive Karte der Februarkämpfe in Linz

Interaktive Karte der Februarkämpfe in Oberösterreich

Interaktive Karte der Februarkämpfe in Wien

Auf dieser Karte können die wichtigsten Ereignisse der Februarkämpfe in Linz im Zeitverlauf nachverfolgt werden. Die violetten Figuren sind Einheiten des Schutzbundes, die Schwarzen stehen für Polizei und Bundesheereinheiten und die Blauen für Einheiten der Heimwehr. Die Bedienung funktioniert mit den Pfeilen an der Zeitleiste am unteren Rand der Karte.

Auf dieser Karte werden die wichtigsten Ereignisse der Februarkämpfe in Oberösterreich im Zeitverlauf dargestellt. Die violetten Figuren sind Einheiten des Schutzbundes, die Schwarzen stehen für Polizei-, Bundesheereinheiten und für Verbände der Heimwehr. Die Bedienung funktioniert mit den Pfeilen an der Zeitleiste am unteren Rand der Karte.

Auf dieser Karte werden die wichtigsten Ereignisse der Februarkämpfe in Wien im Zeitverlauf dargestellt. Die violetten Figuren sind Einheiten des Schutzbundes, die Schwarzen stehen für Polizei und Bundesheereinheiten und die Blauen für Einheiten der Heimwehr. Die Bedienung funktioniert mit den Pfeilen an der Zeitleiste am unteren Rand der Karte.

11. Februar, Nachmittag, Linz

Ich bin eine Beschreibung zum Titel die man optional ein- und ausblenden kann ;)

11.02.

11.02.

11.02.

13.02.

16.02.

xx.xx.

feb 1934
Unmittelbar nach den Februarkämpfen werden die Sozialdemokratie und alle ihre Organisationen verboten.
Mai 1934
Mit dem Beschluss einer neuen Verfassung folgt die formale Errichtung eines Staates nach autoritären Prinzipien.
Mär 1938
Hitlerdeutschland marschiert in Österreich ein und der Nationalsozialimus löst den Austrofaschismus ab.
Sep 1939
Der Zweite Weltkrieg beginnt mit dem Überfall Hitlerdeutschlands auf Polen.
Apr 1945
Mit der Unabhängigkeitserklärung Österreichs wird die Republik Österreich wiederhergestellt und eine provisorische Bundesregierung unter Karl Renner eingesetzt.

Die Republik wird mit ihren Helden zu Grabe getragen

Nach den Februarkämpfen greift das Regime durch: 21 Anführer der KämpferInnen für Demokratie werden zum Tod verurteilt, neun von ihnen, darunter Anton Bulgari, Karl Münichreiter, Georg Weissel und der steirische Schutzbundführer Koloman Wallisch, standrechtlich gehenkt.

Tausende Verhaftete werden in Anhaltelagern interniert. Führende Persönlichkeiten der Sozialdemokratie wie Otto Bauer und Julius Deutsch müssen das Land verlassen.

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Die Republik wird mit ihren Helden zu Grabe getragen

Der Allianz von Polizei, Bundesheer und Heimwehren gelang es rasch, den „Aufstand“ im Februar 1934 mit Brutalität niederzuschlagen. Verantwortlich dafür war nicht nur, dass der Schutzbund führungslos war und die kämpfenden Gruppen nicht miteinander kommunizieren konnten, sondern auch, dass sie wesentlich schlechter ausgerüstet waren als das Bundesheer, das sein ganzes Arsenal mit Flugzeugen und Artillerie einsetzte.

Der wohl wichtigste Grund für das schnelle Ende war, dass der ausgerufene Generalstreik nicht umgesetzt wurde. Auch die Hoffnung, dass Soldaten des Bundesheeres sich weigern würden, auf die eigene Bevölkerung zu schießen, wurde enttäuscht. Die politische Umfärbung der Armee zeigte Wirkung, das Bundesheer war ein verlässliches Instrument der Diktatur.

Es gibt bis heute keine verlässlichen Zahlen, wie viele Menschen in den Februarkämpfen ums Leben kamen. Es gibt aber viele Hinweise, dass die Angaben des Regimes, etwa 200 „Aufständische“ seien getötet worden, deutlich zu niedrig gegriffen war. Dollfuß hatte auch allen Grund, die Dimension der Kämpfe herunter zu spielen. Das rücksichtslose Vorgehen seiner Truppen, der Einsatz von schweren Geschützen in Wohnvierteln, die Tötung von Gefangenen und die standrechtlichen Hinrichtungen riefen international Entsetzen hervor. Weitgehend korrekt dürften demgegenüber die Verlustzahlen der Regierungstruppen gewesen sein, wo 128 Tote und 409 Verwundete beziffert wurden.

Nachdem Schuschnigg bereits im Mai 1933 die Möglichkeit von Schnellgerichten und des Standrechtes ventiliert hatte, wurde das Standrecht tatsächlich im November 1933 eingeführt. Unmittelbar in Zusammenhang mit den Februarkämpfen wurde das Standrecht um den Aspekt „Aufruhr“ erweitert.

In den Standgerichtsverfahren in Oberösterreich wurden vier Todesurteile verhängt, von denen zwei, an dem Linzer Anton Bulgari (der einzige, der nicht wegen Aufruhr, sondern wegen Mordes verurteilt wurde) und dem Steyrer Josef Ahrer, auch vollstreckt wurden. Vordergründig ging es dabei nie um Rechtsprechung, sondern darum, mit Hilfe einer politischen Justiz ein abschreckendes Exempel zu statuieren. In ganz Österreich waren es insgesamt neun Schutzbündler (Josef Ahrer, Anton Bulgari, Johann Hois, Karl Münichreiter, Viktor Rauchenberger, Josef Stanek, Emil Svoboda, Koloman Wallisch, Georg Weissel), die im Zuge der Kämpfe oder unmittelbar danach standrechtlich hingerichtet wurden. Karl Münichreiter wurde sogar trotz seiner schweren Verletzungen, was selbst nach dem damaligen Standrecht rechtswidrig war, am Galgen hingerichtet.

Die Linzer Ludwig Bernaschek, Ferdinand Hüttner und Arthur Bonyhadi, ebenso Josef Höller und Ferdinand Fageth, die Bergarbeiterführer des Hausruckreviers, wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Es wurden allein in Linz 943 Personen angezeigt – 374 wurden angeklagt und 214 Menschen zu unterschiedlich langen Haftstrafen verurteilt.

Widerstand im Ausland
und im Untergrund

Nach den Februarkämpfen waren tausende SozialdemokratInnen ins Ausland geflüchtet, so auch zahlreiche Führungspersonen um Otto Bauer.

In Brünn wurde ein Auslandsbüro der österreichischen Sozialdemokratie eingerichtet. Es wird versucht, die Widerstandsbewegung im Inland zu unterstützen. Dazu wird Geld gesammelt, Propagandamaterial produziert und die Arbeiter-Zeitung (AZ) herausgegeben, die hunderttausendfach nach Österreich geschmuggelt wird. Trotz der Illegalität gelingt es der AZ, an brisante Informationen zu kommen und diese in der Bevölkerung bekannt zu machen. Weil sie die einzige Alternative zur Propaganda des Regimes ist, hat die AZ in der Phase 1934-1938 mehr Leserinnen und Leser, als je zuvor oder danach.
Gegen die Verfolgung der österreichischen Behörden hatten sich die illegalen AktivistInnen noch einigermaßen behaupten können. Nach dem “Anschluss“ 1938 bekamen sie es allerdings mit einem ungleich effizienteren – und brutaleren – Gegner zu tun: Der Gestapo.

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Widerstand im Ausland und im Untergrund

Viele SozialdemokratInnen setzten ihren Widerstand auch nach dem Scheitern des Februaraufstandes und dem Verbot ihrer Partei fort. Davon schreckten sie auch die schweren Strafen nicht ab, die ihnen im Fall ihrer Ergreifung drohten.

In einem der ersten Flugblätter nach dem 12. Februar hieß es: „Wir kämpfen weiter! Glaubt keinen legalen Zeitungen, denn es sind Regierungsblätter oder deren Handlanger. Verbreitet alle illegalen sozialistischen Druckwerke. Treu bleiben, kämpfen und werben ist unsere Losung.“

Politische Arbeit im Untergrund
 Vorerst entstanden meist aus Jugendlichen oder Angehörigen von sozialdemokratischen Nebenorganisationen zusammengesetzte Gruppen, die sich nach und nach zusammenschlossen und ab Ende 1934 "Revolutionäre Sozialisten" nannten. Die in die Tschechoslowakei geflüchteten österreichischen SozialdemokratInnen gründeten im Exil ein Auslandsbüro und brachten die Arbeiter-Zeitung weiterhin heraus, die mit Hilfe der Revolutionären Sozialisten per Eisenbahn nach Österreich geschmuggelt wurde.
Unter den AktivistInnen der Revolutionären Sozialisten befanden sich auch viele Frauen wie Marie Jahoda, die später von den Nazis ermordete Käthe Leichter oder Rosa Jochmann, die jahrelange KZ-Haft überlebte. In den Jahren 1935 und 1936 versuchte das austrofaschistische Regime den Organisationsapparat der Revolutionären Sozialisten mit einer ganzen Serie von Prozessen zu zerschlagen. Den Höhepunkt dieser Verfolgungswelle bildete der sogenannte "Große Sozialistenprozess" im März 1936.

 Wesentliches Merkmal im Widerstand war aber auch die Aufspaltung der linken Kräfte, die vorher unter Otto Bauer verhindert werden konnte. Viele waren von der Sozialdemokratie und dem so spät aufkommenden Widerstand enttäuscht und hatten sich der KPÖ angeschlossen. Unmittelbar nach den Februarkämpfen gelang es den KommunistInnen in ihrer Mitgliederstärke mit den SozialdemokratInnen gleich zu ziehen. Bis zum Ende des Austrofaschismus verlor die KPÖ allerdings kontinuierlich an Mitgliedern, während die Revolutionären Sozialisten ihre Strukturen immer weiter ausbauten. Eine wesentliche Ursache für diese Entwicklung war der Versuch der KPÖ, mit dem Regime ins Gespräch zu kommen, indem man sich mit Kritik zurück hielt und Schuschnigg auf inhaltlicher Ebene entgegen kam. Zu diesem Zweck entwickelte der kommunistische Theoretiker Alfred Klahr die Theorie von Österreich als einer eigenständigen Nation. Die Revolutionären Sozialisten machten einen Dialog dagegen strikt von der Wiedererrichtung der Demokratie abhängig.

Widerstand nach dem Anschluss
Nach dem Zusammenbruch des Austrofaschismus und dem Einmarsch deutscher Truppen bekam es der linke Untergrund mit einem neuen, ungleich brutaleren, aber auch wesentlich effizienteren Gegner zu tun: der mit der Gestapo. Die hatte mit Folter, Mord und Konzentrationslagern zu diesem Zeitpunkt schon praktisch den gesamten Widerstand im nationalsozialistischen Deutschland zerschlagen.
Die Führung der Revolutionären Sozialisten hielt deshalb Widerstand für ebenso selbstmörderisch wie aussichtslos. Sie erwartete in naher Zukunft einen Kriegsausbruch und war überzeugt, dass ein Ende der Herrschaft der Nationalsozialisten nur von außen, durch eine militärische Niederlage herbei geführt werden konnte. Um nach einem solchen Zusammenbruch über genügend ideologisch gefestigte Funktionärinnen und Funktionäre zu verfügen, wurde ein Betätigungsverbot für die Untergrundkader verhängt.

Die Führer der KPÖ, die in die Sowjetunion geflohen waren, riefen dagegen ihre Anhängerschaft zum Widerstand auf. Für ihren heroischen und dennoch von Beginn an aussichtslosen Kampf bezahlten tausende KommunistInnen, unter denen sich auch zahlreiche ehemalige SozialdemokratInnen befanden, in den folgenden Jahren mit ihrem Leben. Die Befreiung vom Faschismus brachten schließlich erst die Truppen der Alliierten.

Die „Harmonie“ der Stände – Autorität gegen Klassenkampf

Nach fünftägigen Kämpfen wird auch der letzte Widerstand gebrochen. Die Sozialdemokratie war bereits unmittelbar nach Beginn der Kämpfe verboten worden.

Am 1.Mai 1934 beschließt das Regime Dollfuß eine neue Verfassung – auch auf dem Papier ist Österreich nun keine demokratische Republik mehr, sondern ein autoritär geführter Staat. Festgelegt wird eine Neuordnung der Gesellschaft nach ständischen Prinzipien, die soziale Gegensätze beseitigen soll. Außenpolitisch versucht man sich mit Benito Mussolini als Verbündeten gegen Machtansprüche Hitler-Deutschlands abzusichern, zugleich bemüht sich Dollfuß aber auch intensiv um ein Arrangement mit den österreichischen Nationalsozialisten.

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Die „Harmonie“ der Stände – Autorität gegen Klassenkampf

Die Sozialdemokratische Partei, die Gewerkschaften und alle sozialdemokratischen Arbeiterorganisationen wurden verboten, ihr Vermögen wurde eingezogen oder von regimenahen Organisationen übernommen.

Um sozialistisches Denken "endgültig auszurotten“ hatte es die Regierung besonders auf die Bildungseinrichtungen der unterlegenen Arbeiterbewegung abgesehen, vor allem auf die vielen, mühevoll über Jahre aufgebauten Bibliotheken. Das aufsässige Gedankengut sollte ausgetilgt werden und die alte Ordnung aus der Zeit vor 1918 wieder die leitende Vorstellung in der Gesellschaft werden: In Arbeiterwohnhäusern, ehemaligen Parteilokalen, Jugendheimen und Kindergärten wurden hunderte „Notkirchen“ eingerichtet. Die Kirche selbst sah sich auf einem „Kreuzzug zur Rettung des Abendlandes gegen die Ideen des Ostens“.

Proklamation des Ständestaates
Mit der Maiverfassung proklamierte die Regierung Dollfuß am 1. Mai 1934 den österreichischen Ständestaat. Das Regime und die mit ihm verbündete katholische Kirche beriefen sich dabei auf die päpstliche Enzyklika „Quadragesimo Anno“, deren Idee einer berufsständischen Ordnung man mit der neuen Verfassung angeblich verwirklichte. In dieser Interpretation wurde von Dollfuß und den österreichischen Bischöfen außer Acht gelassen, dass die Enzyklika die Freiwilligkeit aller Beteiligten zur Voraussetzung für die berufsständische Organisation gemacht hatte. In Österreich wurde die Arbeiterschaft aber buchstäblich mit Gewalt in die neue Ordnung gezwungen.
Es gab mit der Vaterländischen Front nur mehr eine politische Organisation, alle anderen Parteien wurden verboten. Bundesführer der Vaterländischen Front war Engelbert Dollfuß. Die Regierung sollte künftig von Vertretern der Berufsstände beraten werden, in Wirklichkeit hatten diese aber praktisch keinen Einfluss. Stattdessen regierte Dollfuß weiterhin diktatorisch mithilfe von Verordnungen.
Es gab in der christlichsozialen Partei Strömungen mit deutschnationaler Orientierung. Klar war aber auch, dass ein Anschluss an Deutschland den politischen Einfluss der Vaterländischen Front beenden würde, dementsprechend beschwor man zwar die „deutsche Kultur“ Österreichs, das Ziel einer tatsächlichen Vereinigung der beiden Staaten wurde aber nebensächlich. In Deutschland war allerdings zu Beginn des Jahres 1933 die NSDAP an die Macht gekommen und ihr erklärtes Ziel war es, Österreich bei nächster Gelegenheit „heim ins Reich“ zu holen.

Die internationale Situation
Gegen den steigenden Druck aus dem nationalsozialistischen Deutschland erhoffte sich das österreichische Regime Schutz durch das faschistische Italien Benito Mussolinis. Der Duce sah in Österreich einerseits einen Puffer zum immer aggressiveren Dritten Reich, andererseits war er an einer sicheren Landverbindung zu Ungarn und nicht zuletzt an einem Aufmarschgebiet gegen Jugoslawien interessiert. Die österreichische Sozialdemokratie, die keinerlei Sympathien für den Faschismus gehabt hatte, war Mussolini daher ein beständiger Dorn im Auge gewesen. Seit den 1920ern hatte er daher die österreichische Rechte unterstützt und auf die Ausschaltung der Demokratie und ein Verbot der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung gedrängt.

Mit der Machtübernahme Hitlers in Deutschland erlebte auch der Nationalsozialismus in Österreich einen Aufschwung. Die ehemalige Gefolgschaft der deutschnationalen Parteien war bereits 1932 vollständig zur österreichischen NSDAP übergelaufen, doch auch in der christlichsozialen Partei war ein derartiger Trend deutlich zu spüren. Funktionäre berichteten, dass insbesondere die eigene Jugend in Scharen zu den Nationalsozialisten ginge, vielfach wisse man nicht mehr, was in den Strukturen eigentlich vor sich gehe. Dollfuß sah durchaus Gemeinsamkeiten zwischen seinen Zielen und denen der NSDAP und war zur Zusammenarbeit bereit, jedoch nicht um den Preis der Selbstaufgabe. Als die Verhandlungen mit den Nationalsozialisten scheiterten, begannen diese im ersten Halbjahr 1933 mit einer Terrorkampagne, um die Regierung unter Druck zu setzen. Nachdem mehrere Verständigungsversuche ergebnislos geblieben waren, wurde die NSDAP schließlich verboten.

Im Juli 1934 versuchten die Nationalsozialisten in Österreich gewaltsam an die Macht zu kommen. Im Zuge ihres Putschversuches besetzten sie auch das Kanzleramt, wobei Dollfuß ums Leben kam. Der Staatsstreich scheiterte, dennoch kam es besonders in der Steiermark, Salzburg und Kärnten zu schweren Kämpfen mit der SA. Dollfuß’ Nachfolger Kurt Schuschnigg setzte den diktatorischen Kurs fort. Allerdings begannen sich die außenpolitischen Rahmenbedingungen zu seinen Ungunsten zu verändern. Das faschistische Italien hatte auf der Suche nach Kolonien Abessinien, das heutige Äthiopien, überfallen. Daraufhin verhängte der Völkerbund ein Embargo gegen Italien, um es zum Abbruch seines Aggressionskrieges zu zwingen. In dieser misslichen Lage kam NS-Deutschland Mussolini zur Hilfe und belieferte Italien mit dringend benötigten Waffen und Rohstoffen. Die neue Allianz der faschistischen Großmächte hatte zur Folge, dass Italien den Deutschen in Österreich praktisch freie Hand und Mussolini seinen Schützling Schuschnigg fallen ließ.

Die österreichische Diktatur hatte in dieser Situation zwei Möglichkeiten: Sie konnte versuchen, Hitler durch Zugeständnisse eventuell doch noch zu besänftigen, oder den Versuch unternehmen, innenpolitisch eine starke Front gegen den drohenden Anschluss aufzubauen. Obwohl die illegale Sozialdemokratie mehrfach ihre Verhandlungsbereitschaft unterstrich, war Schuschnigg aber nicht einmal zu Gesprächen bereit. Stattdessen versuchte er, Deutschland durch die Integration der Nazis in Staat und Regime und durch ein Abkommen im Juli 1936 günstig zu stimmen.

Politische Verfolgung
Schuschnigg ließ die illegale Linke streng verfolgen. Im Rahmen eines großen Schauprozesses stand 1936 neben dem späteren Bundespräsidenten Franz Jonas auch der künftige Bundeskanzler Bruno Kreisky, damals ebenfalls im sozialdemokratischen Untergrund aktiv, vor Gericht. In seiner Verteidigungsrede wies Kreisky abermals auf die Bereitschaft der illegalen Sozialdemokratie hin, an der Verteidigung Österreichs gegen den Nationalsozialismus mitzuarbeiten. Voraussetzung dafür sei allerdings die Wiederherstellung der Demokratie: „Es ist auch möglich, dass die Regierung in einem ernsten Moment die breiten Massen zur Verteidigung der Grenzen aufrufen muss. Aber nur ein demokratisches Österreich wird dieses Volksaufgebot zustande bringen. Nur freie Bürger werden gegen die Knebelung kämpfen.“

 „Anschluss“ an Deutschland
Schuschnigg ging weder auf dieses, noch auf alle weiteren Angebote ein. Dabei wurde trotz immer neuer Zugeständnisse der Druck des Dritten Reiches immer stärker. Als Schuschnigg schließlich den Versuch eines Befreiungsschlages unternahm und für den 13. März 1938 eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Österreichs ansetzte, marschierten deutsche Truppen in Österreich ein. Sie wurden von jubelnden österreichischen Nationalsozialisten empfangen, die auch weite Teile der staatlichen Exekutive und des Heeres infiltriert hatten. Der Austrofaschismus brach nicht nur durch äußere Aggression zusammen, er implodierte gleichzeitig. Wenn spätere Schätzungen dem Schuschnigg-Regime attestierten, nur noch ein Drittel der Bevölkerung sei hinter ihm gestanden, war das noch eine optimistische Schätzung.

Die Nachwehen der Februarkämpfe im „Opferland“ Österreich

Als Sinnbild für die politische Kultur nach 1945 steht der „Geist der Lagerstraße“ – die Erfahrung der NS-Gräuel und der darauf aufbauende Anspruch der Parteien, ein neues, demokratisches Österreich aufzubauen, das aus der Geschichte gelernt hat.

Ungeachtet dessen prägten die Erfahrungen des Bürgerkriegs das Verhältnis der Parteien. Eine Konsequenz daraus ist die Sozialpartnerschaft, „die Verlegung des Klassenkampfes an den grünen Tisch“, wie Bruno Kreisky es nannte. Auch der in Österreich heute oft kritisierte Proporz sollte nach 1945 ein fein austariertes Mächtegleichgewicht bewirken, das keiner der Parteien erlaubt, die Macht an sich zu reißen. Das gilt vor allem für die Besetzung öffentlicher Ämter und politischer Funktionen.

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Die Nachwehen des Februarkämpfe im „Opferland“ Österreich

In der Politik wurde nach 1945 versucht, die alten Konflikte vor dem Nationalsozialismus nicht wieder außerhalb der Institutionen auszutragen. Der „Geist der Lagerstrasse“, also das gemeinsame Erleben des Konzentrationslagers von SozialdemokratInnen und Konservativen, wurde dabei zum Sinnbild, um gemeinsam ein demokratisches Österreich aufzubauen.

Im Bemühen, eine gemeinsame Basis zu finden, auf der eine demokratische Politik möglich war, wurde von der Sozialdemokratie ein stillschweigender Kompromiss akzeptiert: Um der Zweiten Republik eine Zukunft zu eröffnen, wurden die Umstände des Scheiterns der Ersten Republik nur auf Gedenkveranstaltungen thematisiert. In der Auseinandersetzung mit 1934 kam dies einer Absolution gleich und auch die SPÖ akzeptierte lange Zeit die These der „geteilten Schuld“. Außerhalb der Wissenschaft – und selbst dort erst in den späten 1960er Jahren - wurde etwa die diktatorische Ausrichtung des Dollfuß-Regimes nicht ernsthaft diskutiert. Erst in den 1970er Jahren wurde der Diskurs offener geführt und damit auch die Einordnung der Februarkämpfe als Auseinandersetzung um die Demokratie in Österreich dominanter.

Die politischen Konsensentscheidungen nach dem Zweiten Weltkrieg waren stark geprägt von der Erfahrung aus der Zeit zwischen den Weltkriegen. Das hatte aber auch zur Folge, dass Vieles aus der Zeit des Nationalsozialismus in den Hintergrund rückte. Klar ist aber, dass die Menschen, die im Nationalsozialismus Widerstand leisteten, damit viel für die Errichtung des freien Österreichs nach 1945 beitrugen. Das zeigt die Moskauer Deklaration, wo die Alliierten in den Verhandlungen zur Wiedererrichtung eines freien und unabhängigen Österreichs den Widerstand explizit hervorgehoben haben.
Viele derjenigen, die bereits 1934 Widerstand gegen den Austrofaschismus geleistet hatten, trugen mit ihrem Einsatz gegen das NS-Regime wesentlich zur Schaffung der Republik Österreich nach 1945 bei. Die andere Seite ist, dass die WiderstandskämpferInnen – sowie die Opfer des BürgerInnenkrieges – nach 1945 aber auf vielen Ebenen ungenannt blieben, während sich das öffentliche Österreich mit ihren Taten rühmte.

Klar ist jedoch auch, dass der Widerstand in Österreich keine gesamtgesellschaftliche Bewegung war. Vielmehr sind es Einzelleistungen, derer es zu gedenken gilt: Über 25.000 Menschen - darunter nicht nur WiderstandskämpferInnen im eigentlichen Sinn, sondern auch viele andere RegimegegnerInnen - die ihren Widerstand auch im Nationalsozialismus nicht beendeten, starben im Kampf gegen den Faschismus.